Ein Jahr im Weinberg - aus Sicht des Winzers

Das Leben der Rebe unterliegt dem Wechsel zwischen Wachstum und Ruhe. Mit zunehmender Tageslänge und steigenden Temperaturen erwacht die Rebe. Wenn die Tage kürzer werden und die Temperaturen sinken, bereitet sich die Rebe auf den Winterschlaf vor. Das Leben der Rebe widerspiegelt bis zu einem gewissen Grade auch das Werken und Wirken der Winzerfamilie. Lange Tagwerke wechseln mit Ruhe und Beschaulichkeit.

Container

Januar

Der Winter, oft Sinnbild der Stille, lässt die Rebe schlafen. Im kalten Boden laufen minimale Lebensprozesse ab. Auch bei tiefen Temperaturen erfrieren die Reben nicht ohne weiteres. Die Rebe hat ein internes „Frostschutzsystem“. Diesem Selbstschutz sind aber Grenzen gesetzt. Sinkt die Temperatur unter minus 16°C, so können Augen und Holz erfrieren. In diesen Tagen arbeitet der selbst einkellernde Weinbauer im Keller und pflegt die jungen Weine. Nur selten geht er in den Weinberg zum Rebenschneiden.

Februar

Die Winterruhe geht langsam zu Ende. Hormonale Umstellungen lassen die Rebe allmählich erwachen. An warmen Tagen ist der Winzer im Rebberg anzutreffen. Er schneidet die Stöcke. Aus den Schnittwunden tropft Wasser, das die Wurzeln nach oben pumpen. Die Rebe „weint“; sie reinigt sich und das Wasser hindert holzzerstörende Pilze am Eindringen in den Rebstock.

März

Mit dem höheren Sonnenstand erwärmen sich Boden und Reben. Der Winterschlaf ist endgültig vorbei. Nach dem Schnitt werden die Strecker, das Tragholz der Rebe, an die Drähte gebunden. Dies kann erst geschehen, wenn das Holz, dank genügend Wärme und Feuchtigkeit, weich geworden ist und sich biegen lässt.

April

Ein interner „Temperaturzähler“ signalisiert der Rebe, dass Knospenschwellen und Austrieb beginnen können. Mit der vermehrten Wasseraufnahme durch die Wurzeln werden die im Rebstock vorhandenen Reservestoffe mobilisiert. Es handelt sich um Zucker und Eiweiße, die im vorigen Sommer eingelagert wurden. Die Rebe ist eine sparsame Pflanze. Erst treiben die oberirdischen Organe aus, später beginnen auch die Wurzeln zu wachsen. Dadurch verbraucht sie nicht sofort alle Reserven. Der Winzer bereitet das Land für Neuanlagen vor oder setzt Pfähle und spannt Drähte in der letztjährigen Junganlage. Die ersten Bodenpflegemaßnahmen sind nun angesagt.

Mai

Die jungen Triebe beginnen zu wachsen. Die kleinen Blütenstände, die Gescheine mit vielen Einzelblüten, werden sichtbar. Diese entwickeln sich im gleichen Masse weiter, wie der Trieb an Länge zunimmt. Bald ist die Rebe nicht mehr auf ihre Reserven angewiesen. Die entfalteten Blätter produzieren Zucker und führen sie den Organen zu: den Triebspitzen, Blüten und Wurzeln. Nun beginnt ein emsiges Treiben im Rebberg. Überzählige Schößchen werden weggebrochen, die Triebe eingeschlauft, und Pflanzenschutzmaßnahmen werden notwendig. Auch Pilzkrankheiten und Schädlinge werden aktiv und müssen kontrolliert werden. In dieser Zeit werden in Neuanlagen die Reben gepflanzt.

Juni

Das Triebwachstum ist noch nicht abgeschlossen und erfordert weiterhin viel Laubarbeit: Einschlaufen, Kappen der langen Schosse, leichtes Auslauben. Gegen Ende des Monats blüht die Rebe. Unscheinbar und im Verborgenen öffnen sich die Blüten. Für die Bestäubung sind keine Bienen nötig. Die Rebblüte ist ein Selbstbefruchter. Bald sind die kleinen grünen Beerchen sichtbar. Nasskalte Tage Ende Mai / Anfangs Juni, auch Schafskälte genannt, können einen optimalen Fruchtansatz verhindern: die Gescheine verrieseln. Der Ertrag fällt dann bescheiden aus.

Juli

„Einer Rebe und einer Geiß wird’s im Sommer nie zu heiß“. Ein anderes Sprichwort sagt: „Die Rebe erträgt nur den Schatten des Winzers“. Als ausgesprochen wärmeliebende Pflanze mag die Rebe viel Sonne. Doch nach wie vor müssen die Reben gegen Pilzkrankheiten gespritzt werden. Schädlinge werden heute meist durch Nützlinge bekämpft. Eine stets blühende Kräuterdecke zwischen den Rebreihen, fördert die Raubmilben sowie andere Kleinstinsekten und Spinnen, die dem Winzer helfen, die Schädlinge in Schach zu halten.

August

Im Laufe des Sommers wachsen die Beeren zu ihren vollen Größe heran, werden gegen Ende August weich und beginnen sich zu verfärben. Der Zuckergehalt nimmt zu, die Säure ab. Nun werden die Blätter in der Traubenzone weggebrochen. Die Traube reift an der Sonne, sie bildet Farbe und Aromastoffe aus. Trägt die Rebe zu viele Trauben, werden die überzähligen herausgeschnitten, damit die verbleibenden besser reifen. Die Blätter arbeiten aber nicht nur für die Traubenreife, sie exportieren Zucker und andere organische Stoffe auch ins Holz und in die Wurzeln, um Vorräte anzulegen. Diese werden im Winter, beim Austrieb, aber auch im Sommer bei kühlerem Wetter wieder verbraucht.

September

Die Tage werden kürzer, Morgennebel verdecken die Sonne. Der Reifeprozess in den Beeren geht langsam weiter. Vor der Weinlese wird die Gründecke zwischen den Reben  nochmals gemäht, um die Lesearbeiten zu erleichtern. Das Weinlesegeschirr wird bereitgestellt und die Erntehelfer werden informiert.

Oktober

Nun naht der Höhepunkt im Jahr der Rebe: die Weinlese. Frühe Sorten wie der Müller-Thurgau und der Regent werden bereits Ende September gelesen. Der Gutedel, die Burgundersorten und weitere Spezialitäten werden später vollreif. Nicht nur im Rebberg, auch im Keller setzt nun emsiges Treiben ein. Denn durch die Gärung wird der Traubenzucker zu Alkohol und weinspezifische Aromen werden gebildet.  Auf dem Weinberg bereitet sich die  Rebe nun auf die Winterruhe vor.

November

Die letzten Spezialitäten werden gelesen, ev. Vogelschutzanlagen entfernt. Die Winterruhe der Rebe ist am tiefsten zwischen Oktober und Dezember. Auch vorübergehend milde Wintertage wecken sie nicht auf. Die pflanzeneigenen Hormone verhindern einen vorzeitigen Austrieb. Während im Rebberg die Arbeit ruht, hält die Tätigkeit im Keller an. Durch den ersten Abstich werden Jungweine von der Hefe befreit. Ab sofort müssen der Säureabbau und die Reinheit der Weine laufend überprüft werden.

Dezember

Der Kreislauf der Rebe schließt sich. Der Wintertroller, die letzten Trauben von den Seitentrieben, sind von den Vögeln geholt worden. Kahl strecken die Reben ihre Triebe in den grauen Winterhimmel; die Rebe schläft. In Tanks und Fässern ist der biologische Säureabbau im Gang, die Jungweine beginnen sich zu entwickeln. In Flaschenabfüllung erfolgt allerdings erst im Frühling oder Sommer.

Markgräfler Weinkolleg

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